UL-Flugschule Aschaffenburg


Bordeaux

Der neben unserem Heimatflugplatz gelegene Markt Großostheim hatte über die Pfingstfeiertage ein Treffen in der Schwestergemeinde Carbon Blanc, einem Vorort von Bordeaux, angesagt. Für den Flugsportclub Aschaffenburg war das ein Grund, auch wieder mitzukommen, waren doch schon bei der letzten Jumelage einige der Mitglieder mit ihren Flugzeugen beteiligt. Für uns UL-Flieger war ein Mitkommen Ehrensache, schnell schlossen wir uns an, war das doch die Gelegenheit, es den „richtigen“ Fliegern zu beweisen, dass so ein „Langstreckenflug“ auch mit dem UL machbar ist.

Die ersten Karten wurden beschafft und über die zu fliegenden Strecken getüftelt - da der Hinflug für einen Freitag geplant war, kein einfaches Unterfangen. Im französischen Luftraum hat während der Woche das Militär die Lufthoheit, das ganze Land ist mit Beschränkungs- und Gefahrengebieten sowie Tiefflugstrecken überzogen, die nahezu alle während der Woche aktiv sind. Das bedeutet eigentlich ein dauerndes Erbitten von Durchfluggenehmigungen, Radarführung und dergleichen mehr.

Wir wollten aber damit nichts zu tun haben und suchten uns eine Streckenführung aus, bei der wir die entsprechenden Lufträume unter- ,über- und umfliegen konnten. Da kam uns die VFR FRANCE JOUR, eine von Editerra und Aviasport gemeinsam herausgegebene 1:1.000.000 Karte gerade recht. Diese leider nur in Frankreich erhältliche Karte zeigt auf einen schnellen Blick die Beschränkungsgebiete mit allen für die Flugplanung und -durchführung notwendigen Informationen. Um aktuelle Anflugkarten und Flugplatzinformationen zu haben, besorgten wir uns auch noch das Frankreich-Tripkit von Jeppesen sowie die im Gegensatz zu den französischen ICAO-Karten -zumindest meiner Ansicht nach- leichter lesbaren VFR+GPS Karten von Jeppesen.

Da den offiziellen Unterlagen nach immer noch auf dem ersten in Frankreich anzufliegenden Flugplatz der Zoll zu erledigen ist, entschieden wir uns für Troyes, nahezu auf halber Strecke nach Bordeaux gelegen und mit den Tankfüllungen unserer UL’s noch gut erreichbar. Doch Troyes ist mit einem UL nur anfliegbar, wenn eine Genehmigung der Präfektur vorliegt. Also wurde ein Fax mit den Flugzeugdaten und den Pilotennamen losgeschickt, und gewartet. Als sich nach zwei Wochen immer noch nichts tat, wurden einige Telefonate geführt: das Fax war nicht angekommen, es war an die falsche Stelle gegangen, usw. Also noch einmal auf ein Neues - und innerhalb kurzer Zeit war diesmal die Genehmigung für den Anflug erteilt.

Für unseren Zielflugplatz Bordeaux-Yvrac Bordeauxmusste gleichsam eine Erlaubnis zum Anflug eingeholt werden, da der Platz nur für ortsansässige oder aus der Umgebung stammende Flugzeuge zugelassen ist. Als Flugstundenminimum mussten 200 Stunden nachgewiesen werden, was zumindest soviele UL-Piloten erfüllten, dass wir wie vorgesehen mit einer Kappa, zwei P92 und einer P96 losfliegen konnten. Die Besatzungen standen auch schon fest: Elvira und Edwin in der P96, Marion und Helmut in der P92, Georg und Edwins Angetraute in der Kappa und ich in der zweiten P92.

Als diese grundsätzlichen Fragen geklärt waren, ging es an die eigentliche Flugplanung. Über Zweibrücken, Sarre-Union, Nancy Azelot, Epinal und Joinville nach Troyes wurde der erste, 440 km lange Abschnitt festgelegt. Der zweite Flugabschnitt des Tages war dann von Troyes aus über Joigny, Vierzon, Chauvigny, Angoulème und Chalais nach Bordeaux Yvrac geplant, mit 550 km der längste Abschnitt unseres Ausflugs. Am Sonntag sollte dann die erste, 380 km lange Etappe von Yvrac aus über Soulac, die Girondemündung, Niort, Thouars und Bournam zum Tankstopp nach Amboise führen. Von dort sollte es dann 308 km lang an den berühmten Schlössern des Loiretales vorbei über Blois, Lamotte und Montargis wieder zurück nach Troyes zur Übernachtung gehen. Der Heimflug von Troyes nach Aschaffenburg war dann schlussendlich über Vatry, Chalons, Verdun, Thionville, Saarlouis und Worms vorgesehen, noch einmal 440 km. Doch der Rückflug sollte etwas anders kommen, als geplant ...

Schon zwei Wochen vorher wurden aufmerksam Wetterkarten im Internet und sonstiges „geheimes Material“ studiert, es sah gar nicht gut für den geplanten Hinflug am Freitag vor Pfingsten aus. Je näher der Freitag kam, um so mehr tendierten wir Ul’er und auch die übrigen Piloten des FSCA für den Hinflug schon am Donnerstag. Schlussendlich verständigten wir uns auf den Donnerstag als den Hinflugtag, eine gute Wahl, wie sich herausstellen sollte. Am Mittwoch wurde ein Sammelflugplan mit dem Ziel Troyes aufgegeben, der Abflug war erst für 10:45 UTC am Donnerstag angegeben, da Marion am Vormittag noch eine Prüfung absolvieren musste.

Der folgende Morgen fand uns schon früh am Flugplatz bei geschäftigem Treiben, die Maschinen wurden beladen und nochmals einer letzten Kontrolle unterzogen. Das GPS ist programmiert, die Karten, das Navlog und der Spickzettel mit den Luftraumdaten liegen bereit und, das wichtigste, der Wetterbericht hat bis zu unserem Ziel Yvrac O- und C-Bedingungen in Aussicht gestellt und mit einem Wind von 240/10 kt sind die für heute vorgesehenen Flugabschnitte kein Problem. Schnell noch ein kleiner Imbiss im Flugplatzrestaurant, was war passender zum Abschied als 1 Paar Weißwürste mit Brezel?

Um 10:15 schnurrte der erste Rotax los. Die ersten Funksprüche gehen zwischen UL und dem Kollegen im Turm hin und her: „Aschaffenburg Info, D-MVEK, Hallo“, „D-EK, Moin“, „D-EK, Abstellplatz, VFR Sammelflugplan nach Troyes“, „D-EK, Piste 08, QNH 1009“. Am Rollhalt 08 der obligatorische Magnetcheck, der letzte Blick in die Checkliste und über die Motoranzeigen - es konnte losgehen. „D-EK, Rollhalt 08, Abflugbereit“, „D-EK, Wind 120 mit 9“ und die P92 setzt sich in Bewegung. Ausgerichtet auf dem Mittelstreifen kommen die 100 PS zur Entfaltung, und schon ist der erste unserer Truppe in der Luft - Frankreich, wir kommen.

Worms, Bad Dürkheim und Ramstein ziehen unter uns vorbei. Über Zweibrücken haben wir 4200 ft am Höhenmesser anliegen, um ungehindert die gleich hinter der Grenze liegende erste Luftraumbeschränkung LF-R163B zu überfliegen. Als die Landesgrenze unter uns durchzieht, wird der Transponder auf 7000 gerastet, dem VFR- Squawk in Frankreich. Nachdem wir LFQU passiert haben, sinken wir auf 1900 ft und etwas später auf 1600 ft, um nicht in die LF-R’s einzufliegen. Es macht richtig Spaß bei C-Bedingungen über die Landschaft zu huschen. Nancy Azelot, Epinal Mirecourt und und Joinville sind unsere nächsten Checkpunkte. Ein LF-R nach dem anderen wird unter-, über- oder umflogen; ich habe mir den Beginn und das Ende der Luftraumbeschränkungsgebiete in das GPS einprogrammiert. Im Navlog und auf dem Spickzettel stehen dazu parallel die erlaubten Flughöhen und ETE-Zeiten, und in der Karte weist der Bleistiftstrich von Checkpunkt zu Checkpunkt.

Jetzt wird es Zeit, das Anflugblatt von Troyes auf das Instrumentenbrett zu klemmen. Das GPS zeigt nur noch sieben Minuten zum Flugplatz, der Karte nach muss er im Nordwesten der Stadt liegen. Angestrengt wird das Gelände vor uns nach dem Platz abgesucht und nochmals ein Blick auf den Zettel der englischen Platzrunden­bezeichnungen geworfen. „Troyes Info, D-MULY, Good Afternoon“ meldet sich Elvira im Funk. Prompt kommt Antwort und dann die Anweisung über den Platz in den Gegenanflug zur 18 einzufliegen und auf der Grasbahn zu landen. Als sich das zweite UL gleich darauf meldet, wird es dem Kontroller schon zuviel, es heißt nur noch „Follow other aircraft“. Gut für uns, wir setzen nur noch blind unsere Positionsmeldungen in der Platzrunde ab - Right Down Wind 18, Right Base 18, Final 18 Grass, 18 Grass vacated.

Gleich werden die Maschinen wieder betankt, in den Tanks meiner P92 finden wieder 39 Liter Platz. Der Sammelflugplan war schon automatisch bei der Landung geschlossen worden, bleibt also nur noch das Bezahlen der Landegebühr und der Tankrechnung. Hier kommt ein spürbarer Vorteil des Euro zum Tragen, kein Umtauschen, kein Umrechnen mehr! Von einem Zoll- bzw. Grenzpolizeibeamten ist keine Spur zu sehen, die Frage danach wird nur mit „No Problem“ beantwortet.

Eine Stunde später sind wir wieder in der Luft. Obwohl wir uns nun schon mitten in Frankreich befinden, liegen noch ein paar aktive LF-R’s auf der Strecke. Aber nur einmal sehen wir in einiger Entfernung zwei von der schnellen Truppe ihre Bahn ziehen. Das Gelände unter uns ist flach geworden, schnuckelige Schlösschen, verträumte Bauernhöfe und quirlige Dörfer säumen den Flugweg. Im Dunst taucht links querab Chateauroux auf, der Parkplatz für abgestellte Großraumflugzeuge in Frankreich. Aber auch einige davon werden geflogen, zumindest beobachte ich zwei Jumbos in der Platzrunde.Bordeaux

Der Abendhimmel überzieht sich immer mehr und mehr mit hohen Schleierwolken, als wir die Autobahn unter uns erreichen, die uns die letzten Kilometer nach Bordeaux führen soll. Die Anflugkarte von Yvrac klemmt jetzt am Instrumentenbrett, der Grasplatz hat nach Westen und Süden eine Autobahn als Auffanglinie. Die Autobahn überquert die Dordogne, jetzt heißt es links von ihr zu bleiben. Das Anflugblatt zeigt einige Hochspannungsleitungen, eine davon führt genau auf die 11 der Grasbahn. Der Blick aus dem Fenster zeigt aber ein ganzes Geflecht von Leitungen, welche ist nun die Richtige?

Zum Glück haben wir im Internet ein Anflugfoto des Platzes gefunden, es zeigt kleine Wäldchen beim Anflug auf die 11. Da vorne, das muss der Platz sein - und tatsächlich, in der fahlen Abendsonne blitzen ein paar abgestellte Flugzeuge auf. Als wir uns auf der 119.95 melden, sind wir überrascht, in unserer Heimatsprache begrüßt zu werden. Charlie, der Vorstand des FSCA höchstpersönlich bedient die Bodenstation und weist uns ein, nach knapp dreieinhalb Flugstunden von Troyes schweben die vier UL’s nacheinander zur Landung ein und rollen stolz an den schon eingetroffenen „Großen“ vom FSCA vorbei, wir haben es auch geschafft! Schnell werden die „Kleinen“ windgeschützt vor den Hallen verzurrt, denn für die Nacht ist ein Sturm mit Gewitter vorhergesagt. Der Tag klingt mit einem opulenten Essen und „etwas“ Wein aus, wir sind in Bordeaux, wo sogar die Weinberge eben sind.

Am nächsten Tag treffen wir uns unter grauem Himmel zu einem gemütlichen Fußmarsch wieder Richtung Flugplatz. Doch je näher wir kommen, umso schneller laufen wir. Das kann doch nicht sein, unsere UL’s sind nicht mehr da, wo wir sie am Abend zuvor festgebunden hatten, nur die übrigen Flugzeuge stehen noch brav auf der Wiese. Als wir um die Ecke biegen, finden wir dann noch die Kappa vor, aber wo sind die drei Tecnams abgeblieben? Doch die Lösung gibt sich schnell, als der Platzwart auftaucht: noch am Abend zuvor haben besorgte Mitglieder des lokalen Luftsportclubs unsere Maschinen fein säuberlich in Erwartung des dann glücklicherweise doch nicht gekommenen Gewitters in die Halle gepackt!

Das Wetter hat kein Erbarmen mit uns - es bleibt nur, einen Platz im gemütlichen Flugplatzrestaurant zum Mittagessen warm zu halten. Die Entscheidung für den Anflug am Donnerstag war also goldrichtig. Heute wollen noch die restlichen Flugzeuge aus Aschaffenburg eintreffen, bei dem Wetter wohl nicht ganz einfach. Inzwischen wird das Buffet aufgebaut und die Speisekarte macht die Runde - ein Glück dass Elvira uns die Karte wieder mal eindeutscht! Die Stunden ziehen scBordeauxhnell dahin - jetzt landet doch tatsächlich noch eine PA28 aus Aschaffenburg kommend. Die letzte Maschine schafft es aber nicht mehr und landet sicherheitshalber im eine knappe Autostunde entfernten Riberac; den letzten Abschnitt bewältigt die Besatzung dann im Taxi. Taxi ist im übrigen das Stichwort: wir haben die ganzen zwei Tage in Bordeaux kaum eines gesehen geschweige denn eines benutzt; da half auch kein Telefonieren und auch kein Reservieren.

Am Samstagmorgen lacht die Sonne wieder durch die Wolken, aber heute ist der ganze Tag dem offiziellen Teil mit Stadtrundfahrt in Bordeaux und ein Empfang mit Essen und Feiern angesagt - keine Zeit zum Fliegen. Doch morgen früh soll es wieder weitergehen - unsere Wetterpropheten sind da guter Laune ...

Doch der Blick aus dem Hotelzimmer am nächsten Morgen lässt die Bäume nur schemenhaft durch den Nebel erkennen. Noch liegt das Frühstück vor uns, dann der Fußmarsch zum Flugplatz, das Ausräumen der Flieger und das Betanken. Und siehe da, der Nebel hebt sich mehr und mehr, doch was bleibt, ist ein bedeckter, grauer Himmel. Kurz nach elf Uhr ist die erste Maschine, eine PA28 auf dem Weg nach La Rochelle, dem Tagesziel der E-Maschinen. Wir mit den UL’s wollen jedoch nach Amboise Bordeauxund von da weiter zur Übernachtung nach Troyes, in La Rochelle sind UL’s nicht so gern gesehen. Um 11:30 bin ich mit der MVEK in der Luft - und kehre nach 5 Minuten wieder um, denn die Basis ist verdammt niedrig und auch die Sicht bescheiden. Aber die PA28 meint, einige Minuten weiter nördlich wird das Wetter immer besser, also in 1500 ft dem Ufer der Gironde entlang Richtung Soulac. Und tatsächlich, nach wenigen Minuten wird die Sicht besser und ich steige auf komfortablere 2000 ft. Mittlerweile sind auch die restlichen Flugzeuge in der Luft; mit uns vier „Mikes“ sind diesmal noch eine Grob 109 und eine Ximango im Bunde, da müsste es eigentlich klappen.

Doch die voraus fliegende PA28 meldet sich wieder, sie ist noch eine Viertelstunde von La Rochelle entfernt: die ersten Regenschauer haben sie erreicht und die Sicht wird ihrer Meldung nach auch wieder schlechter. Das ist für unsere Gruppe Grund genug, noch vor Soulac über die Girondebucht hinweg mit einem Kurs von 40 Grad direkt Richtung Niort zu fliegen. Kurze Zeit später erreichen wir die nach Niort führende Autobahn A10, eine nicht zu unterschätzende Hilfe trotz des GPS. Aber auch hier zwingen immer mehr und mehr Regenschauer zu Umwegen. Als dann noch die Basis absinkt und sich die Sicht rapide verschlechtert, hilft nur noch umkehren. Doch dafür wird es im Westen wieder heller, also Kurs 290 Grad und ab nach La Rochelle bei 15 Knoten Wind auf der Nase in 1500 ft. Aber wir sind an der Atlantikküste, und da werden der Regen und die Wolken scheinbar nur für uns zuhauf produziert. Es wird wieder grauer vor uns und die Meldungen von La Rochelle sagen auch nichts Gutes, da geht die Sicht angeblich auf 1000 Meter und weniger zurück.

Also, wo ist der nächste Flugplatz, wir wollen wieder landen. Der Bodennavigation und auch dem GPS nach sind wird in der Nähe von Rochefort. Und siehe da, rechts vor uns liegt so was wie eine Bahn. Doch beim Näherkommen entdecken wir abgestellte Düsenjäger aller Art, nichts wie weg von hier, bloß hier nicht landen. Aber gleich daneben sehen wir noch eine Piste und melden uns für die Landung. Doch unsere Rufe auf der 119.30 werden nicht beantwortet, aber wir wollen und müssen herunter! Also Blindmeldungen absetzen, die Bahn in 1000 ft im rechten Winkel überflogen und dann in den Gegenanflug. Queranflug, Endteil und schon sitzt das erste UL auf der Bahn. So fallen wir der Reihe nach ein und rollen aufs Vorfeld. Erst jetzt kommt etwas Leben in den Flugplatz, aus einer Halle verwunderte Blicke auf die sechs Flugzeuge aus Deutschland, wo die wohl bei dem Wetter herkommen? Kaum sind die Flugzeuge geparkt, ziehen die ersten Nebelfetzen heran und der Regen prasselt herab. In einer Baracke am Ende des Vorfelds treffen wir dann tatsächlich noch den Vorsitzenden des ortsansässigen Aeroclubs - er wollte gerade zum Sonntagnachmittagskaffee entschwinden. Doch jetzt bemüht er sich um uns - und das die nächsten vier Stunden. Bei der Gelegenheit erfahren wir auch, dass Rochefort nicht für UL’s zugelassen ist, aber was soll’s, wir sind nun einmal hier - das ist eben Frankreich! Im nachhinein kommen wir auch dahinter, dass auf der anderen Seite des Flugplatzes das Militär ein Depot und eine Ausbildung unterhält, die Bahn vorher muss das Abstellfeld des militärischen Teils gewesen sein.

Mal hellt es wieder auf, mal herrscht wieder Landregen und der aufgekommene Westwind jagt die Wolken über uns dahin. Es ist zum Verrücktwerden: Amboise und Troyes melden CAVOK, auch andere im Nordosten liegende Plätze sind fliegbar - aber die paar Quadratkilometer hier sind zu! Jetzt müssen wir uns Gedanken machen, wohin des Nachts, wenn sich das Wetter nicht bessert. Den Plan über Amboise nach Troyes können wir vergessen, aber ein Direktflug nach Troyes ist drin, wenn wir um 17:00 LT hier wegkommen, schaffen wir die 460 km noch mit einer Stunde Reserve bis Sunset. Doch noch macht das Wetter kaum Anstalten zur Besserung und der hilfsbereite Vereinsvorstand hat schon ein Hotel in der Stadt besorgt.

Wir betanken unsere Maschinen neu und schieben sie dann auf die angrenzende Wiese, um sie zu verzurren. Aber da lichtet sich das Grau am Himmel und der Nieselregen hörBordeauxt auf. Wieder kommt die Flugplanung auf den Tisch, wir haben noch eine Stunde Zeit zum geplanten Abflug. Und das Wetter wird besser und besser, und Troyes mit CAVOK liegt schon wieder in Reichweite. Um 17:00 rollt die erste Maschine wieder zur 31 zum Start. Georg, unser „alter“ Fluglehrer, meint zwar, der abziehenden Front nur eine Stunde Vorsprung zu geben sei zu wenig - wie recht sollte er behalten!

Noch sind wir keine zwanzig Minuten in der Luft, als sich aus dem Dunst wieder die ersten Wolken formen. Ein Überfliegen ist nicht drin, also unten bleiben und auf die erste Auffanglinie auf unserem Kurs von 60 Grad, die schon bekannte, nach Norden führende A10 achten. Doch kaum haben wir die Autobahn erreicht, zwingt uns tief liegende Bewölkung nach Südosten auszuweichen. Doch noch ist die Sicht hervorragend - nur dass wir dadurch immer weiter vom Kurs abkommen. Noch sind wir 40 km von Angouléme entfernt, als die Sicht wieder schlechter wird und die ersten Regenschauer wieder umflogen werden wollen. Ein Ändern des Kurses auf 10 Grad bringt etwas Besserung, aber nicht lange. Die vor uns fliegenden beiden Motorsegler drehen schon wieder ab, eine hektische Planung für das nächste Alternate beginnt. Schnell haben wir uns auf St. Junien geeinigt, ein für Motorsegler und UL’s offener Platz.

Jetzt ist bei mir in der einsitzig geflogenen P92 Arbeit angesagt: die LF-3 ausbreiten, von der momentanen Position eine mit Bodensicht zu fliegende Strecke festlegen, auf dem GPS Goto LFBJ eingeben und dabei die Regenschauer und Wolkenfetzen umfliegen. Leider sind keine markanten Merkmale auf der Karte auszumachen, ich stelle nur fest dass ich eben ein Stück Autobahn mit Kurs 100 überflogen habe, der Karte nach muss das bei Ruffec gewesen sein. Natürlich habe ich jetzt das Winddreieck nicht greifbar, doch mit einem geschätzten Kurs von 100 bis 110 Grad müsste ich auf LFBJ treffen, ein Blick auf das GPS bestätigt mir das. Dem Sprechfunkverkehr nach zu urteilen haben auch die anderen Piloten alle Hände voll zu tun, es ist im Radio stiller geworden. Ich bewege mich mit der P92 in 1500 bis 2000 ft, und das bei einer Sicht von rund 5 km, leichtem Regen und ansteigendem Gelände; glücklicherweise steigt aber mit dem Gelände auch die Hauptwolkenuntergrenze mit. Der geflogenen Strecke und der Karte nach müsste ich jetzt gleich eine Bahnlinie überfliegen, danach gleich nochmals eine. Der Strich auf dem GPS bestätigt das nahezu, eine kleine Kursänderung macht es perfekt. Jetzt kann ich schemenhaft ein Bauwerk mit einem Turm erkennen, das muss das auf der Karte bei St. Junien eingezeichnete Kraftwerk sein. Eben höre ich im Funk den Anflug der Motorsegler auf den Platz mit, es gibt aber keine Antwort vom Boden. Aber das ist in Frankreich kein Problem, man setzt seine Sprüche ab und fliegt dementsprechend weiter.

Jetzt kommt wieder der Stress, den fremden Platz auch wirklich zu finden. Das GPS zeigt ihn zwar genau vor meiner Nase, aber der Blick am Kraftwerk vorbei in die Richtung entdeckt noch keine Spur davon. Da kommt vom Boden die „Flugleitung“ aus den soeben gelandeten Motorseglern mit Angaben, wie der Platz zu finden ist. Aber eben habe ich ihn auch so entdeckt, ich bin genau im langen Endteil. Als ich von der Bahn aufs Vorfeld abrolle, glaube ich meinen Augen nicht, ein Platz mitten in Frankreich und nur Flugzeuge mit D-Kennzeichen weit und breit: die beiden Mose und noch drei weitere UL’s aus dem Stuttgarter Raum, die auf besseres Wetter für den Weiterflug nach Soulac warten. In der nächsten Viertelstunde finden auch noch die restlichen drei Flugzeuge unserer Truppe den Flugplatz - für heute Abend haben wir uns ein gutes Essen verdient. Zwar waren wir nur rund 190 km geflogen und mit dem gutem Wind nur eine gute Stunde unterwegs, aber eine Stunde kann auch ganz schön lang sein und Kräfte kosten ...

Als wir uns am nächsten Morgen gut ausgeruht zum Frühstück treffen, zieht noch der Nebel über das Hoteldach; immerhin liegt das an der Vienne liegende St. Junien schon 300 m hoch. Doch die Schwaden lichten sich mehr und mehr, schon bricht der erste Sonnenschein durch. Die ersten Wetterberichte auf dem Umweg über die Heimat kreisen herum, wir erwarten bis Aschaffenburg bestes Flugwetter - gegen Abend vielleicht da und dort ein kleines Gewitter. Im Gegensatz zu Bordeaux gibt es hier kein Problem mit dem Taxi, schnell sind wir wieder am Flugplatz, wo schon geschäftiges Treiben herrscht. Unserer Flugplanung nach brauchen wir zwei Stunden bis Troyes, das Loiretal mit seinen Schlössern müssen wir jetzt leider vergessen. Nachdem alle Maschinen wieder nachgetankt sind, rollen wir der Reihe nach zur 590 m langen Bahn und um 09:00 UTC ist das letzte Flugzeug in der Luft auf dem Weg nach Troyes..

Mit 40 Grad am Kompass anliegend genießen wir den Flug über die fremde Landschaft, folgen schnurgeraden Alleen, bewundern immer wieder mal ein unter uns auftauchendes romantisches Schlösschen - mit dem UL durch die Gegend zu fliegen ist immer faszinierend, besonders wenn die Sonne vom Himmel lacht! Wieder zieht Chateauroux links an uns vorbei, auch heute am Pfingstmontag sind die Riesen da unten geschäftig, eben rollt einer von ihnen zum Start. Die Landschaft bietet jetzt nicht mehr soviel Abwechslung, aber es macht trotzdem richtig Spaß: auf der Karte einen Turm entdecken, ihn im Gelände voraus ausmachen und dann den Kurs haltend darauf zufliegen. Oder mit dem zwei Zentimeter breiten Zeigefinger auf der Karte Maß nehmen und dann die dafür benötigte Zeit überschlagen und dann mit der tatsächlich geflogenen Zeit vergleichen - eine Fingerbreite auf der 500.00er Karte bei 160 km sind 3 Minuten und 45 Sekunden.

Bei Briare überfliegen wir wieder die Loire und an Auxerre vorbei geht es auf Troyes zu. Die Mose aus unsere Gruppe „bummeln“ nicht so viel und sind schon weiter voraus, sie melden sich schon wieder im Anflug auf die Piste 18. Als sich das erste UL für den Anflug meldet, wird der Lotse hastig, seine Mittagspause beginnt gleich. Aber das macht nichts in Frankreich, da wird eben ohne Lotse weitergeflogen - schade für uns, wir müssen uns jetzt mit unbeantworteten Funksprüchen zufrieden geben, wo wir doch so für das BZF I gebüffelt haben. Dafür nehmen wir jetzt die 1650 m lange Asphaltbahn für die Landung, die Grasbahn haben wir ja schon beim Hinflug ausprobiert. Nachdem die Maschinen wieder getankt sind, erledigen wir gleich die Formalitäten: Tankrechnung und Landegebühr bezahlen, eines der ausliegenden Flugplanformulare mit den Daten der sechs Maschinen ausfüllen und zur Übermittlung abgegeben, der gute Mann hinter dem Tresen verschiebt wegen uns seine Mittagspause. Kein Wunder bei dem Service, dass Troyes immer wieder als Ein- und Ausreiseflugplatz geplant wird; es sind immer Flieger aus allen Ecken Europas hier anzutreffen.

Nachdem wir uns im nahegelegenen Novotel gestärkt haben, geht es auf zur letzten Etappe. Der Reihe nach lässt uns der Lotse auf die Bahn zum Start und mit einem ehrlich gemeinten „see you again“ verabschieden wir uns. Erster Checkpunkt ist Vatry, davor müssen wir noch einen kleinen Bogen um ein aktives Sperrgebiet fliegen. Die meisten LF-R’s sind an Wochenenden und Feiertagen nicht aktiv, ideal wenn man gerade im Grenzgebiet unterwegs ist. Die Landschaft unter uns wird wieder abwechslungsreicher, je näher wir den Ausläufern der Vogesen kommen. Bei Verdun ist wieder ein kleines Sperrgebiet zu beachten, was uns aber nicht daran hindert, näher an die geschichtsträchtigen Wälder um Verdun heranzufliegen. Etwas später weichen wir etwas nach Norden aus, um nicht in die Kontrollzone von Metz einzufliegen und drehen dann über Thionville auf Kurs 90 Richtung Saarlouis. Der Transponder wird wieder auf die 0021 gerastet, wir sind zurück in Deutschland.

Ab jetzt ist der Luftraum wieder stärker bevölkert, immer wieder mal ein Mose, ein Segelflugzeug oder eine Motormaschine vor der Nase. Das hat uns in Frankreich am meisten überrascht, nahezu kein Verkehr von Flugzeugen, und das, wo doch bei uns Frankreich als das Fliegerland Europas gehandelt wird. Ob da wohl nur die den Fliegern zugestandenen Freiheiten gemeint sind?

Man merkt, die Heimat zieht. Unsere beiden Mose ziehen davon und auch die Kappa zeigt die Sporen, nur die beiden P92 und die P96 bummeln weiter dahin. Die Gegend wird immer vertrauter, der Donnersberg, dahinter die Rheinebene bei Worms und schlussendlich der Odenwald, ein schönes Erlebnis neigt sich langsam dem Ende zu. Unter weißen Wolkentürmen geht es zum Anflug auf Aschaffenburg dahin, schon ist der Gegenanflug zur 08 fällig. Glücklich und zufrieden schweben wir ein, wir haben uns selbst und auch den anderen bewiesen, dass auch mit einem UL mit seiner mehr oder weniger spartanischen Ausstattung Fliegen über die Grenzen hinweg machbar ist. Beim ersten Weizen nach dem vielen guten Rotwein wird dies nochmals in unserer Flugplatzkneipe bestätigt: Die Freude ist groß und ein wenige Hochachtung schwingt mit, sind doch alle Maschinen des Clubs einschließlich uns UL’ern wieder wohlbehalten zu Hause angekommen.

Abschließend noch ein paar technische Details zu diesem Ausflug, bezogen auf meine P92:

- Die Flugstrecke betrug 2180 km,

- die Durchschnittsgeschwindigkeit betrug 150 km/h,

- die Flugzeit summierte sich auf vierzehneinhalb Stunden und

- 170 Liter Avgas flossen durch die beiden Vergaser.

Ach ja, die berühmten Schlösser an der Loire mussten wir diesmal auslassen, wann holen wir das nach?

Eugen Karg